SenUMVK bleibt Antworten schuldig - wie geht es weiter?

Senatsverwaltung schreibt letzten Brief - Ausblick in die Zukunft

Wir haben Antwort von der SenUMVK zu unserem Fragenkatalog erhalten. Die ausführlichen Antworten findet Ihr hier. Die SenUMVK teilt uns mit, dass sie sich letztmalig zu dem Antrag äußert. Das finden wir sehr bedauerlich. Dennoch haben wir die Punkte nochmal kommentiert. Das Schreiben findet Ihr hier nochmal im Original.

Generell sind viele Antworten der SenUMVK ausweichend oder nicht transparent, einige unserer Fragen bleiben weiterhin unbeantwortet.

Die rechtliche Lage ist verworren: Die EU schreibt die Erstellung von Lärmaktionsplänen vor - aber nicht die Umsetzung der darin festgelegten Maßnahmen. Auslösewerte der Lärmbelastung müssen also bestimmt, aber nicht eingehalten werden.

Zu dem ganzen Thema haben wir nochmal um eine Stellungnahme der Deutschen Umwelthilfe gebeten. Siehe unten.

Wir sehen zudem weiterhin Widersprüche bei den Angaben zu Fahrbahnbreite und Sicherheitsabständen, die eigentlich rechtlich geregelt sind und am ZKD nicht erfüllt sind. Hier verweist die SenUVMK lediglich auf gegenseitige Rücksichtnahme. Dass die Realität anders aussieht, erfahren wir immer wieder im Alltag..

Die Diskrepanz zwischen der im August 2020 durchgeführten 24-Stunden-Zählung zur Verkehrsmengenerhebung von 2019 begründet die SenUMVK mit „unterschiedlichen Verkehrsmengen in der ganzen Stadt“. Wir sehen dafür die Corona-Pandemie verantwortlich. In Zeiten von Lockdowns und Corona-Maßnahmen war das Verkehrsaufkommen natürlich geringer. Auch beim LKW-Anteil ist die Diskrepanz deutlich sichtbar. Da wir wieder keine Angaben zum Messverfahren bekommen haben, bleibt das alles sehr intransparent. Schade.

Das Argument, dass bei Tempo 30 in Nebenstraßen ausgewichen wird, wird wieder nicht mit Zahlen belegt, sondern vermutet. Die Behauptung, dass Tempo 30 in den Hauptverkehrsstraßen die Fahrzeiten erhöht, wird auch nur behauptet. Eine Studie des Umweltbundesamtes belegt das Gegenteil.

Auch bei den Unfallzahlen bleibt die SenUMVK nur bei Vermutungen und verweist darauf, dass Abstände und Höchstgeschwindigkeiten eingehalten werden müssen. Auf die Kritik, dass ignoriert wird, dass sich der Reaktions- und Bremsweg bei Tempo 30 gegenüber Tempo 50 um die Hälfte verringert, wird nicht eingegangen.

Wie geht es weiter?

Ehrlich gesagt: wir wissen es nicht. Wir haben nun nach fast zwei Jahren seit dem Erstantrag und fast vier Jahre nach Gründung der BI vieles versucht (Unterschriften mit über 1.000 Unterstützern, Demos, Öffentlichkeitsarbeit, Videos sowie zahlreiche Treffen mit Politikern, Verbänden und Mitarbeitern der Verwaltung). Wir haben eigentlich die Fakten und Zahlen auf unserer Seite. Auf unserer Website sowie gegenüber der Politik und der Verwaltung begründen wir unsere Forderungen ausführlich mit Studien und Statistiken.

Angesichts der politischen Verhältnisse auf Landes- und Bezirksebene und dem Zustand der Berliner Verwaltung sehen wir in naher Zukunft keine positiven Veränderungen in Sachen Lärmschutz und Verkehrssicherheit am ZKD. Die verantwortlichen Stellen haben offenbar auch den Ernst der Lage in Sachen Klimaschutz immer noch nicht verstanden.

Unsere Erfahrung: Es gibt Politiker, die nichts oder nur wenig verändern wollen (CDU, AfD), aber auch viele, die den Handlungsbedarf sehen (Grüne, Linke, SPD, FDP). Wir haben jedoch den Eindruck, dass oft die Rechtslage kompliziert ist, Zuständigkeits-Pingpong gespielt wird oder die Verwaltung schlichtweg überfordert bzw. personell unterbesetzt ist - eben das bekannte Berliner Phänomen mit seinem zweigliedrigen Verwaltungssystem. So ist zum Beispiel am ZKD der Senat für den fließenden Verkehr zuständig, für den ruhenden jedoch der Bezirk.

Natürlich haben wir auch etwas erreicht: Tempo 30 – aber leider nur nachts bekommen. Weiterhin eine Gehwegvorstreckung Höhe Öschelbronner Weg. Die wurde aber leider vom Bezirksamt an falscher Stelle und mangelhaft gebaut, so dass dadurch der Gehweg bei Regen überflutet wird. 

Mobirise

Ein Dialogdisplay konnten wir auch durchsetzen, allerdings wird dieses ständig von LKWs zugeparkt. Es wurde auch nicht dort aufgestellt wo wir es beantragt hatten:

Eine Gehwegvorstreckung Höhe Titiseestraße wird der Schule seit über drei Jahren versprochen. Auch hier passiert nichts.

Radwege? Fehlanzeige. Der Ausbau des Radwegenetzes, wie es im Berliner Mobilitätsgesetz verbindlich festgelegt ist, kommt kaum voran. Nur 113 Kilometer (4,2 Prozent) der geplanten 2.700 Kilometer wurden bisher gebaut. Davon entsprechen nur mickrige 27 Kilometer (1 Prozent) den gesetzlichen Standards aus dem Radverkehrsplan. Auch die Bilanz des Bezirkes ist ernüchternd: Kein einziger Kilometer Radweg wurde im letzten Jahr in Reinickendorf gebaut.

Hier nun die Fragen an die SenUMVK (fett), die Antworten der SenUMVK (Kursiv) und unsere Anmerkungen (normal).

1. Warum nutzt die SenUMVK nicht alle rechtlichen Möglichkeiten zur Ausweitung von Tempo 30, wie es im Rot-Rot-Grünen Koalitionsvertrag steht?

“Die Voraussetzung für die Umsetzung von europäischen Regelungen zum Lärmschutz ist die Überleitung dieser in bundesdeutsches Recht. Unter Anwendung der für die Bundesrepublik Deutschland derzeit geltenden Rechtsvorgaben wurden die rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft und in der Folge Tempo 30 zur Nachtzeit zum Lärmschutz angeordnet. 

Diesbezüglich möchte ich auch auf den aktuellen Lärmaktionsplan Berlin 2019-2023 verweisen, der am 23.06.2020 vom Senat beschlossen wurde. Dieser enthält als zentrales Vorhaben die Ausweitung von Tempo 30 zur Lärmminderung, sowohl nachts als auch tagsüber. Um Lärmbelastungen an bewohnten Hauptverkehrsstraßen insbesondere für den Nachtzeitraum zu mindern, wird im ersten Schritt ein neues Tempo-30-Nachtkonzept für das Berliner Hauptstraßennetz erarbeitet. In einem zweiten Schritt wird eine Tempo-30- Konzeption für ganztägige Anordnungen in Form eines an der Lärmbelastung orientierten Stufenplanes entwickelt. Als Grundlage für die Entscheidungen wird eine stadtweite Untersuchung des Hauptstraßennetzes durchgeführt werden, um zu ermitteln, für welche Straßenabschnitte unter Berücksichtigung der verkehrlichen Funktion und auch des Öffentlichen Personennahverkehrs eine Tempo-30-Anordnung geboten ist. Aufgrund dieser konzeptionellen Untersuchungen auf der Grundlage der Lärmminderungsplanung können andere Maßstäbe als bei der Prüfung eines Einzelantrages, welcher an die strengen Vorgaben der Straßenverkehrs-Ordnung und weitergehenden Richtlinien gebunden ist, angesetzt werden. Auch der Zabel-Krüger-Damm wird diesbezüglich untersucht werden und im Ergebnis dann gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen straßenverkehrsbehördlich angeordnet. Aufgrund des aufwendigen Prüfverfahrens ist leider nicht kurzfristig mit dem Abschluss dieses Verfahrens zu rechnen. 

Darüber hinaus wurde Ihnen von der Staatssekretärin Dr. Niedbal in Ihrem letzten Schreiben vom 3.11.2022 dargelegt, dass sich Berlin auch politisch für eine Aufweichung der sehr strengen rechtlichen Kriterien zur Anordnung von Tempo 30 auf Bundesebene einsetzt. 

Zusammenfassend zeigen diese Darlegungen, dass der Vorwurf einer nicht ausreichenden Ausschöpfung der rechtlichen Möglichkeiten nicht zutreffend ist.”

Wir haben uns hierzu noch mal eine Beratung der Deutschen Umwelthilfe erbeten. Das ist die Antwort: „Es ist zwar so, dass die Lärmbelastung am Zabel-Krüger-Damm tagsüber zwischen 65 und 69 dBA und damit über dem im Berliner Lärmaktionsplan festgelegten Auslösewert (65 dBA) liegt, aber das allein scheint leider nicht auszureichen, um auf dieser Grundlage Tempo 30 tagsüber durchzusetzen. Grund dafür ist, dass der Lärmaktionsplan die Ermessensausübung für Tempo 30 nicht komplett vorweggenommen hat. Sprich die Verbindlichkeit von Lärmaktionsplänen greift erst dann, wenn in diesem ganz konkret festgelegt ist, auf welchen Straßen Tempo 30 zum Lärmschutz gelten soll. Ein überschrittener Auslösewert reicht da leider nicht. Dazu ein Auszug aus unserem Rechtsgutachten zu den rechtlichen Möglichkeiten der Anordnung von innerörtlichem Tempo 30, das Sie auch hier finden können https://www.duh.de/laerm.

Um die strikte Bindungswirkung des Lärmaktionsplans auszulösen, muss die planaufstellende Gemeinde eine umfassende eigene Ermessens- und Verhältnismäßigkeitsprüfung anstellen. Der Gemeinde ist daher zu empfehlen, bei der Planaufstellung bereits ganz konkret festzulegen, auf welchen Straßen Tempo 30 gelten soll und insoweit eine umfassende planerische Abwägung vorzunehmen. Tut sie dies, sind die im Lärmaktionsplan vorgesehen Maßnahmen nicht nur bloße Empfehlungen, sondern verbindliche Festlegungen mit der Folge, dass die konkreten Maßnahmen nicht in der Umsetzungsphase zur Disposition gestellt werden können. Je umfangreicher die festgelegten Verkehrsbeschränkungen, desto höher die Anforderungen an die Bewertung und Abwägung der betroffenen Interessen.“

2. Warum lehnt die SenUMVK unseren Antrag ab, obwohl die Lärmbelastung über 65 db und damit über den Auslösewerten des Lärmaktionsplans liegt, Tempo 30 positive Effekte auf die Leistungsfähigkeit der Straße hat und der ZKD aufgrund seiner geringen Fahrbahnbreite keine Sicherheitsabstände bietet.

“Hierzu wird auf den Widerspruchsbescheid Seite 3 ff., Abschnitt Il, Ifd. Nr. 1 verwiesen und zitiert: „Gemäß 8 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Eine den fließenden Verkehr beschränkende Anordnung kommt dabei nach 8 45 Abs. 9 S. 3 StVO grundsätzlich nur in Betracht, wenn aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der Wohnbevölkerung durch Lärm und Abgase erheblich übersteigt.

Insoweit muss die Belastung eine erhebliche Beeinträchtigung mit sich bringen. Die hierbei ermittelten Lärmwerte liegen zwischen 65 dB (A) und 69 dB (A) am Tag und somit im Bereich zwischen den Immissionsgrenzwerten der 16. BlimSchV und denen der Lärmschutz-Richtlinien-StV. Dementsprechend beruhte die Entscheidung über die Nichtanordnung verkehrsbeschränkender Maßnahmen tagsüber auf dem Ermessen der Behörde.“

Im Gegensatz zur Nachtzeit wurden tagsüber keine Überschreitungen der Lärmrichtwerte der Lärmschutz-Richtlinien-StV festgestellt.

Weiter wird im Widerspruchsbescheid auf Seite 6 ff. ausgeführt: „Auch die Behauptung, die Leistungsfähigkeit des Zabel-Krüger-Damms würde durch Tempo 30 kaum beeinträchtigt werden, kann hier nicht überzeugen. Inwiefern Tempo 30 auf der geringen Distanz des Zabel-Krüger-Damms tatsächlich nur sehr geringe Auswirkungen auf dessen Leistungsfähigkeit hätte, kann dahingestellt bleiben, da hierbei verkannt wird, dass es bei vermehrter Anordnung von Tempo 30 zu einer Summierung der Zeit- und damit resultierenden Leistungseinbußen der jeweiligen Abschnitte kommen würde. Hierdurch käme es in einer Gesamtbetrachtung des Hauptverkehrsnetzes dennoch zu deutlichen Einbußen der Leistungsfähigkeit Eine generelle Einführung von Tempo 30 als innerörtliche Höchstgeschwindigkeit in Deutschland ist daher (zumindest nach derzeitiger Rechtslage) nicht möglich.“

Die Anordnung von Tempo 30 durch die Straßenverkehrsbehörde erfordert im Lichte der rechtlichen Vorgaben der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) grundsätzlich ein zwingendes Erfordernis für den konkreten Straßenabschnitt und darüber hinaus bei Anordnungen aus Gründen der Verkehrssicherheit immer eine qualifizierte Gefahrenlage (& 45 Abs. 9 StVO).

Lediglich zur Sicherung der Eingangsbereiche vor sensiblen Einrichtungen wie Schulen und Kitas hat der Gesetzgeber die Anordnungsmöglichkeiten von Tempo 30 erleichtert. Ob eine derartige Gefahrenlage aus der vorhandenen Verkehrssituation abgeleitet werden kann, muss in jedem Einzelfall geprüft werden. Dabei wird auch die aktuelle Unfalllage herangezogen, um zu prüfen, ob sich aus der Art der Unfälle eine Rechtfertigung für eine Reduzierung der Fahrgeschwindigkeiten ableiten lässt. Diese Prüfung hat im Zabel-Krüger-Damm keine entsprechende Rechtfertigung ergeben. Die verbleibende Fahrbahnbreite neben den parkenden Fahrzeugen von knapp 6,00 m ermöglicht im Zusammenhang mit der geraden Straßenführung ein Vorbeifahren von Fahrzeugen im Gegenverkehr. Im Gegenteil hat diese Fahrbahnbreite den positiven Effekt beim Entgegenkommen von größeren Fahrzeugen seine Fahrgeschwindigkeit entsprechend anzupassen und ggf. zu vermindern. Dieses Verhalten ist sogar als Verpflichtung in § 3 Absatz 1 der StVO enthalten, so dass ein Eingreifen durch die Straßenverkehrsbehörde hier obsolet ist. Im Bereich der Kurve Höhe Am Osrücken sind Halteverbote angeordnet, um hier eine ausreichende Fahrbahnbreite zu gewährleisten.”

Die asphaltierte Fahrbahn am ZKD weist eine Breite von rund zehn Metern auf. Durch Autos, welche am Fahrbahnrand parken, reduziert sich die effektiv nutzbare Fahrbahn in der Mitte auf rund 5,90 Meter, also nicht einmal drei Meter pro Fahrtrichtung. Diese drei Meter teilen sich momentan Autos, Busse, LKW und Radfahrer im reinen Mischverkehr.

Sicherheitsabstände sind hier nicht möglich: Autofahrer können beim Überholen von Radfahrern den vorgeschriebenen Mindestabstand von 1,50m laut StVO § 5 Abs. 4 S. 2 nicht einhalten, solange Gegenverkehr aufkommt. Besonders in der Begegnung von Bussen und LKWs verbleibt kein Bewegungsspielraum.

Die Folge: Radfahrende oder auch abbiegende Autofahrer werden durch Hupen genötigt und gedrängelt, es kommt zu riskanten Überholmanövern mit viel zu geringem Abstand zu sowohl den Fahrrädern als auch dem Gegenverkehr. Autofahrer, welche in ihr parkendes Auto am Fahrbahnrand einsteigen wollen, haben keinen Sicherheitsabstand zum fließenden Verkehr. Das Be- und Entladen von Kraftfahrzeugen ist enorm erschwert, das Aussteigen von Personen auf der linken Rückbank gefährlich.

Die Sichtfelder für einbiegende Autofahrer*innen sind durch die enge, schwer überschaubare Fahrbahn risikobehaftet. Die Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen RASt schreibt unter Punkt “6.3.9.3 Sichtfelder” an Hauptverkehrs- und Erschließungsstraßen mit Tempo 50 eigentlich Haltesichtweiten von 35 Meter und Anfahrtssichtweiten von 70 Meter vor.

Diese Risiken können durch eine Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit ebenfalls günstig beeinflusst werden: In den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt 2006) 6.2.3 ist “die Durchsetzung nutzungsverträglicher Geschwindigkeiten in städtischen Hauptverkehrsstraßen [...] vor allem dann erforderlich, wenn Radverkehr im Mischverkehr ermöglicht werden soll, weil die Anlage gesonderter Radverkehrsanlagen (z.B. wegen beengter räumlicher Verhältnisse) nicht möglich ist.”

Weiterhin beschreibt die RASt unter Punkt 4.3: “Wenn es die straßenräumliche Situation (insbesondere die Straßenraumbreite) und der Raumbedarf anderer Nutzungsansprüche notwendig machen [...], können eingeschränkte Bewegungsspielräume angesetzt und z.T. auf die Sicherheitsabstände verzichtet werden. Die Bemessung mit eingeschränkten Bewegungsspielräumen setzt in der Regel geringe Geschwindigkeiten (<= 40 km/h) und eine umsichtige Fahrweise voraus, die durch eine geeignete Gestaltung und verkehrsrechtliche Regelungen zu unterstützen sind.”

Die Straße Alt-Lübars ist nach den Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen (RASt, 6.1.1.3) mit rund fünf Metern Fahrbahnbreite inklusive Parkraum am Fahrbahnrand zu schmal für die Begegnung zweier LKWs (RASt: Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV): Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen RASt 06 (R 1), Ausgabe 2006). Wenn Bus und LKW sich hier begegnen, staut sich der Verkehr und es dauert Minuten, bis die Fahrzeuge einen Weg gefunden haben, um aneinander vorbeizukommen. Hier muss es ein Durchfahrtsverbot für LKWs geben.

Leider nimmt die SenUMVK zwei Fakten nicht zur Kenntnis: Erstens halten sich die meisten Auto- und LKW-Fahrer nicht an die Sicherheitsabstände von 1,50 Meter und drosseln auch nicht die Geschwindigkeit: https://youtu.be/aLnvU1gqClY. Zweitens liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit in Berlin eh nur bei 18 km/h (https://www.focus.de/auto/news/studie-das-verkehrstempo-in-grossstaedten-sinkt-duesseldorfer-fahren-am-langsamsten_id_11269331.html). Tempo 30 würde aber die Gesamtmaximalgeschwindigkeit besser verteilen.

3. Warum weist die von der SenUMVK im August 2020 durchgeführte 24-Stunden-Zählung in Sachen Verkehrsstärke und LKW-Anteil deutliche Unterschiede zur Verkehrsmengenerhebung von 2019 auf?

Hierzu wird auf den Widerspruchsbescheid Seite 5, 1. Abschnitt verwiesen und zitiert: „Bezüglich der von Ihnen angesprochenen Diskrepanz hinsichtlich dieser Ergebnisse (Zählung vom 11.08.2020) und der Verkehrszählung aus November 2019 lässt sich festhalten, dass sich unterschiedliche Verkehrsmengen in der ganzen Stadt widerspiegeln.“

Da es sich um eine tagesaktuelle Erhebung vor Ort handelt, wird auch die tatsächlich vorhandene Fahrzeugmenge ermittelt. Somit werden darin auch die verkehrlichen Entwicklungen/Änderungen abgebildet, was die unterschiedlichen Ergebnisse der ermittelten Verkehrsmengen erklärt.”

Das sehen wir anders. Die unterschiedlichen Zahlen kommen dadurch zustande, dass die offizielle Verkehrszählung 2019 vor der Corona-Pandemie stattfand, die andere 2020 in Zeiten von Lockdown und Corona-Maßnahmen. 

4. Warum werden unterschiedliche Angaben zum LKW-Anteil gemacht?

"Im Widerspruchsbescheid auf Seite 7 unter lfd. Nr. 2 wird dazu ausgeführt: Zu den unterschiedlichen Prozentangaben des Lkw-Anteils kann ich Ihnen mitteilen, dass bei der Ermittlung der Verkehrslärmbelastung neben den größeren Lkw auch kleinere Lkw (unter 2,8 t), Busse und Kräder in ihrer Geräuschbelastung betrachtet werden. Dagegen werden bei einem Lkw-Durchfahrtsverbot lediglich die größeren. Lkw (ab 2,8 1) betrachtet, da ein solches Verbot auch nur für diese gelten würde. Die Diskrepanz der Prozentangaben ergibt sich daher aus den verschiedenen Prüfungsmaßstäben.“

Diese Unterschiede begründen sich darauf, dass bei der Lärmbelastung auch größere PKW (sogenannte „Kastenwagen“) infolge ihrer höheren Geräuschbelastung bereits als LKW gezählt und berücksichtigt werden, obwohl diese Fahrzeuge zulassungsrechtlich noch als PKW gelten. Bei der Ausweisung eines LKW-Fahrverbotes sind diese vorgenannten Fahrzeuge aber nicht von dem Verkehrsverbot erfasst, so dass sich damit auch der Anteil am LKW-Verkehr bei der Betrachtung eines LKW-Fahrverbotes reduziert.

Aus Lärmsicht ist die Berücksichtigung der größeren PKW als LKW aufgrund deren höherer Lärmwirkung als Vorteil für den Anwohnenden zu sehen, da sich dadurch auch die Lärmbelastungen höher darstellen."

Dann hat die SenUMVK das im ersten Schreiben missverständlich formuliert. Diese Zahlen sind zudem zweifelhaft: Die reguläre Verkehrsmengenzählung vom November 2019 weist an mehreren Punkten am ZKD eine LKW-Aufkommen zwischen 1.900 und 4.800 Fahrzeugen in 24h aus. In der Nähe der Schluchseestraße betrug das LKW-Aufkommen 2.700-2.800 LKW in 24h. Im Durchschnitt sind das über den gesamten Zabel-Krüger-Damm verteilt 3.300 LKW in 24h. Im Verhältnis zum PKW-Verkehr (durchschnittlich 12.480) entspricht das einem Anteil von 26 Prozent, die im Kontrast stehen zu den genannten 5,7% bzw. 1% LKW- Anteil. 

5. Warum gibt es keine Transparenz zu den tatsächlich gezählten Fahrzeugen und dem verwendeten Berechnungsverfahren?

“Das verwendete Berechnungsverfahren stellt ein gerichtlich anerkanntes Fachverfahren dar, dass auf computergesteuerten Berechnungen basiert und folglich auch nicht detailliert dargestellt werden kann. Da die Lärmbelastung sich an den Wochentagen und auch stündlich innerhalb des Tages aufgrund verschiedener Verkehrsbedürfnisse darstellt, müssen die gezählten Verkehrsmengen auf eine durchschnittliche tägliche Verkehrsmenge umgerechnet werden, auf deren Basis dann die Ermittlung der Lärmbelastung erfolgt.”

Das ist leider keine transparente Antwort.

6. Warum wird argumentiert, dass bei Tempo 30 in den Nebenstraßen ausgewichen wird - ohne konkrete Zahlen zu nennen und in den Nebenstraßen bereits Tempo 30 gilt?

“Die Funktion eines leistungsfähigen Hauptverkehrsstraßennetzes besteht darin, den Verkehr flüssig und sicher abzuwickeln und aus den angrenzenden Wohnstraßen herauszuhalten. Bei einer Anordnung von Tempo 30 in den Hauptverkehrsstraßen erhöhen sich die Fahrzeiten, so dass es für Fahrzeugführende attraktiver werden kann, ggf. kürzere Wege durch ebenfalls mit Tempo 30 ausgewiesene Wohnstraßen zu suchen.”

Leider wird das nicht mit Zahlen bewiesen. Das Gegenteil ist der Fall, wie eine Studie des Umweltbundesamtes zeigt: “Die zulässige Höchstgeschwindigkeit hat selbst nur geringen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit einer Straße. [...] Messfahrten in Berlin ergaben tagsüber in den Tempo-30-Abschnitten eine deutlich bessere Homogenität des Verkehrsflusses als in den Tempo-50-Abschnitten. [...| Die Leistungsfähigkeit von innerstädtischen Hauptverkehrsstraßen wird maßgeblich von den Lichtsignal geregelten Knotenpunkten (Ampelkreuzungen) bestimmt.” (https://www.umweltbundesamt.de/publikationen/wirkungen-von-tempo-30-an-hauptverkehrsstrassen).

 7. Warum wird argumentiert, dass die Polizei am ZKD überwiegend nur Unfälle wegen „ungenügendem Sicherheitsabstand“ registriert hat, nicht wegen „Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit“ obwohl konkrete Zahlen nicht genannt werden und dabei ignoriert wird, dass sich der Reaktions- und Bremsweg bei Tempo 30 gegenüber Tempo 50 um die Hälfte verringert?

“Die Herausgabe von Unfallzahlen liegt allein in der Zuständigkeit der Polizei Berlin. Die Straßenverkehrsbehörde kann daher nur die von der Polizei Berlin die zugearbeiteten Daten auswerten und daraus Rechtfertigungsgründe für die beantragten Maßnahmen ableiten. So ist es auch in Ihrem Fall geschehen. In der Auswertung konnten keine Unfälle ermittelt werden, die im Zusammenhang mit der angeordneten Geschwindigkeit zu sehen wäre. Unabhängig davon verweise ich hier auf meine Ausführungen zu Frage 2 und den Pflichten der Fahrzeugführenden, ihre Fahrgeschwindigkeiten den örtlichen Gegebenheiten anzupassen.”

Leider wieder realitätsfremd, da sich Verkehrsteilnehmer oft nicht an Abstände und Höchstgeschwindigkeiten halten. Konkrete Zahlen bekommen wir wieder nicht. Auf die Kritik, dass ignoriert wird, dass sich der Reaktions- und Bremsweg bei Tempo 30 gegenüber Tempo 50 um die Hälfte verringert, wird nicht eingegangen.


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